Amadeus Certa
Als das Bild zu verschwinden begann
8 APR — 22 MAI 2017
Ein vielfältiges Wechselspiel zwischen Dimensionalität und Flächigkeit bestimmt Amadeus Certas Arbeiten. Übereinandergesetzte Leinwände und sich überschneidende Farbflächen lassen je nach Fokus auf bestimmte Bildelemente die Kompositionen zwischen Verflachung und Tiefenräumlichkeit changieren. Einige Bildfindungen erinnern dabei an kosmische Szenerien, deren schwarzer Untergrund als leerer Raum hinter bunten Regenbogenflächen durchschimmert. Was zunächst wie ein großes Nichts erscheint, in dem weiße Strichfiguren schweben, könnte aber genauso gut eine solide Fläche sein, in die wie auf einer Tafel weiße Kritzeleien und Wörter eingeschrieben sind und auf die sich schillernde Farbschichten legen. Die grob ausgeführten Farbfelder wirken ebenso undurchlässig wie sie deckend erscheinen. Sie imitieren ihren eigenen Bildträger, wenn sie mit weiteren Strichen und ausskizzierten Motiven versehen sind. Oder sie verdecken geometrisch angeordnetes Liniengestrüpp, das gerade noch hinter einer Wand aus grobem, grau deckendem Duktus verschwindet.
Es ist ein Versteckspiel, das das Verhältnis von Linie und Fläche in jedem Bild neu gewichtet. Hieraus entstehen abstrakte Farbkompositionen, die durch einen stetigen Kontakt zu figürlichen Motiven den Bezug zum Gegenständlichen nicht verlieren. Klare Zuordnungen von Fläche und Dimension scheinen bei solchen Verflechtungen zwischen Motiven und Farbflächen unmöglich, die Funktionen der Bildelemente im Gesamtgefüge bleiben ambivalent. Das klare, wechselnde Vor- und Hintereinander der Motive kippt, wenn das klassische Prinzip des Raumgefüges untergraben wird. Das Zusammenspiel führt zur Abkehr von traditioneller Perspektive und Raumwahrnehmung, entzieht sich jedoch der reinen Abstraktionsebene. Certas Gemälde beschwören so ihre eigene Welt zwischen Figur und Form, zwischen Ein- und Zweidimensionalität.
Andere Arbeiten zeigen wilde Tiere, die durch noch wilderes Gestrüpp aus kräftigen Strichen grimmig aus dem Bild blicken, als könnten sie den Betrachter erreichen – als sei die Leinwand keine Begrenzung, keine Teilung in inner- und außerbildliche Welt. Auch in den figürlicheren Gemälden bleiben Farbauftrag und Untergrund stets verwoben, der unter der schnellen Pinselführung durchschimmert und so zur Nuancierung der Motive beiträgt. Certas irreale Szenen und unwirkliche Sujets legen Bezüge auf bekannte Mythologien und Fabelwelten nahe und entsprechen ihnen dabei doch nicht.
Schatten, Umrisse und vage Figuren, oft in vereinfachtem Duktus und Gestaltungsansatz, ziehen sich auch durch Certas anonyme Porträts. Graue Gesichtszüge verblassen in den dunkler gefüllten Grenzlinien ihrer Silhouette. Eine helle Silhouette schwindet selbst gänzlich auf dem grauen Hintergrund. So drohen Motive und Untergrund völlig ineinander überzugehen, das Motiv im übermächtigen, den Bildraum dominierenden Hintergrund zu erlöschen.
Doch ein Auslöschen des Motivs in der Fläche haben Certas Gestaltungsmittel keinesfalls zur Folge, sie können sogar ein Hervortreten der Figur erreichen. Ihre Ränder werden unscharf, wo sie Zentimeter zuvor noch die Umrisse klar begrenzt haben. Nun aber laufen sie unaufhaltsam aus, übertreten sogar den vermeintlichen Rand der Leinwand, um auf einer anderen weiter zu bestehen. So kann das vermeintliche Zurücktreten durch farbliche Übergänge in den Hintergrund gleichzeitig auch ein Hervortreten aus dem Rahmen der Leinwand auf einen anderen Bildträger, gar in eine andere Bildebene und Bildrealität bedeuten. Mit diesem Verwirrspiel von Vorder- und Hintergrund, von Bildträger und Bildmotiv hinterfragt Certa nicht nur die innerbildliche Logik und Realität, sondern auch die Idee von Wirklichkeit selbst.
Zur Eröffnung der Ausstellung mit neuen Arbeiten von Amadeus Certa am 7. April 2017, ab 19 Uhr wird herzlich in die Galerie eingeladen.