Ausstellung

Group Show

Nirgends wird die Welt sein, als innen

23 Jul — 13 Aug 2016

„Die Vergänglichkeit stürzt überall in ein tiefes Sein. (...) unsere Aufgabe ist es, diese vorläufige, hinfällige Erde uns so tief, so leidend und leidenschaftlich einzuprägen, daß ihr Wesen in uns unsichtbar wieder aufersteht. Wir sind die Bienen des Unsichtbaren...“ – Rainer Maria Rilke


Der Augenblick, in dem das Innerste des Kunstwerks Bild wird, wenn es sein Wesen offenlegt, bezeichnet ein ebenso fruchtbares wie vergängliches Moment: Im Prozess des Werdens, der Verinnerlichung entledigt sich das Kunstwerk seiner sichtbaren Hülle, und überwindet sein Dasein als Ding.

Der Prozess der Auflösung des Sichtbaren als Sinnbild der Überwindung kennzeichnet das zentrale Motiv in den „Duineser Elegien“ von Rainer Maria Rilke. Rilke beschreibt hier die innere Zerrissenheit des Menschen – gefangen in der gedeuteten Welt, befähigt, sich selbst zu reflektieren, und zugleich ohnmächtig, seiner Vergänglichkeit zu entkommen – und stellt der menschlichen Existenz grenzüberschreitende Gegenbilder entgegen. Vom Engel, der unter den Menschen verweilt, überbewusst und endlich unsichtbar geworden, bis hin zum Tier, das von keiner Ohnmacht weiß, in Offenheit und freiem Austausch mit dem Leben. Vom Kind, dass keine Zerrissenheit kennt; dem Helden, der loszulassen vermag und dem, ähnlich wie dem Heiligen, ein Schicksal vorbehalten ist, sowie den Liebenden, die zeitweise den Gesetzen der Vergänglichkeit entgehen können.

Im Gewand der wehklagenden Elegie klingen bei Rilke aber auch lichte Töne der Zuversicht und des Glückes an; der Fähigkeit, Innezuhalten, zur Erfahrung eines Erhobensein, dass in der Zuwendung zum Besonderen im Augenblicksmoment, etwa im Einswerden mit Natur zur Feststellung führt, dass Hiersein herrlich sein kann.

Eine Ausstellung mit Werken von Aljoscha Gößling, Florian Bittner, Pia Krajewski und Sophie Heinrich im Kontext von Rilkes „Duineser Elegien“. Zur Eröffnung am Freitag, den 22. Juli 2016 ab 19 Uhr wird herzlich eingeladen.

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Aljoscha Gößling (g. 1992 in Berlin)

Grob und fragmentarisch umreißt Gößling die Figuren seiner Ölmalereien, der Strich kräftig, die Farben sacht. Es sind alltägliche Szenen in blassem, unscharfem Licht, die das menschliche Zusammensein in den Mittelpunkt stellen. Pastell skizzierte Figuren treffen sich zu verschwommenen Ansammlungen, aus denen fest umrissene Körperpartien hervortreten. Das klassische Motiv der Rückenfigur bietet dabei eine Brücke zum Betrachter, dessen Präsenz unbewusst sich Gößlings Figuren einander bedächtig zuwenden. Ihre stille Intimität zieht sich selbst durch Konstellationen, in denen sich die Bildakteure kaum gegenseitig wahrzunehmen scheinen. Aljoscha Gößling studiert Malerei und Graphik in der Klasse von Prof. Siegfried Anzinger an der Kunstakademie Düsseldorf.



Florian Bittner (g. 1988 in Düsseldorf)

Florian Bittner lässt seinen Motiven viel Raum, erhebt scheinbar unerhebliche Details in Nahansichten zum eigentlichen Schwerpunkt. Eine dunkle Verschwommenheit dominiert das Bildgeschehen in Natur und Innenraum. Spärliches Dämmerlicht nimmt den Motiven teilweise gänzlich die Kenntlichkeit und entfaltet erst im Kontrast zu unzähligen, körnigen Graustufen seine vollen Qualitäten. Sanfte Schatten, Spiegelungen und Reflexe werden so zu organischen Ornamenten, die ihre eigene grafische Dimension und Dynamik entwickeln. Sie überziehen in verschiedenen Unschärfen auch den Vordergrund wie mit einem nächtlichen Schleier. Florian Bittner studiert Film und Video in der Klasse von Prof. Marcel Odenbach an der Kunstakademie Düsseldorf.



Pia Krajewski (g. 1990 in Köln)

Krajewski erschafft surreale Bildräume, die sich jeder präzisen Verortung entziehen. Kennzeichen von Außen- und Innenwelt vermischen sich, während die fantastischen Formen und menschlichen Figuren in ungewöhnlichen Austausch treten: So trifft ein Ohr unter anderem zwei Frauenbeine, trifft graue Farbfläche, grüne Streifen. Krajewskis farbenfrohe Musterungen unterteilten die Bildflächen und erzeugen eine Ambiguität von Fläche und Raum, die die Erkennbarkeit des Orts weiter untergräbt. In teils verzerrter Perspektive mit schiefem Horizont öffnen sich Wohnräume oder weite Landschaften. Die mal plastisch oder schraffierend gemalten Motiv- und Farbformationen sind nicht nur ungewöhnlich zusammengestellt, sondern stehen einander auch materiell äußerst unterschiedlich gegenüber. Pia Krajewski studiert Malerei in der Klasse von Prof. Andreas Schulze an der Kunstakademie Düsseldorf.



Sophie Heinrich (g. 1992 in Köln)

Bunte Geschwindigkeit zeigt sich in Heinrichs expressivem Strich, der in alle Richtungen ausfährt. Der grobe, dominante Duktus verbindet grafische Qualitäten mit dem Format der Malerei. Die Farblinien breiten sich über die Leinwand aus, unterteilen kraftvoll die Fläche und treten in den Papierarbeiten noch deutlicher in Kontrast zum weißen Blatt hervor. Sie legen sich als Gitternetze über großflächig schraffierte Farbfelder, deren milchige Muster die Bildfläche transparent bedecken. Rahmungen der Strichszenen begrenzen die wilden Ausuferungen von Heinrichs Pinselauftrag und strukturieren so das scheinbar strukturlose Farbgeflecht. Sophie Heinrich hat das Studium der Malerei bei Prof. Elizabeth Peyton an der Kunstakademie Düsseldorf abgeschlossen.