Ausstellung

Amadeus Certa

No One Left at Indigo-Plateau

28 Mar — 24 Apr 2021

GOLESTANI ist erfreut, eine neue Ausstellung mit Malerei von Amadeus Certa ankündigen zu dürfen. Zur Ausstellung wird herzlich eingeladen.

Amadeus Certa entspinnt in seinen neuesten Arbeiten surreale Bildwelten, in denen mystische Figuren und spirituelle Referenzen einen überreligiösen Dialog miteinander eingehen. Mit seinen impliziten bis ausdrücklichen Anspielungen durchkreuzt Certa dabei nicht alleine die Bildwelten der Weltreligionen und der Mystik, immer wieder scheinen sich in diesen surrealen Sphären auch Abstecher in die Populärkultur aufzutun. So trifft etwa eine Buddhafigur auf regenbogenfarbene Aureolen und Symbole des Firmaments, was Certas Phantasiewelten zum Sinn- und Suchbild des Transzendentalen und Spirituellen schlechthin werden lässt.

Certas Szenen scheinen dabei im Nichts, in einem ganz bewusst unbestimmten Raum verortet. Dieser gibt dem Betrachter, der Betrachterin keine Orientierung, wird vielmehr zur Bühne für die mal mehr oder weniger offenkundigen religiösen Referenzen oder frei phantasierten Figuren. Wie in den Erzählungen der Bibel oder des Korans finden sich Certas Figuren in wüstenähnlicher Ödnis – dem symbolischen Ort des Suchens und des Findens der Offenbarung schlechthin – oder gar in der Weite des durch das Bildformat begrenzten und symbolisch doch unendlichen Alls wieder.

Während einige Bilder mit farblicher Dreiteilung des Hintergrundes eine gewisse Raumtiefe in Certas Welten bringen, bleiben andere Bildgründe monochrom – um in noch stärkerem Kontrast zu den Figuren zu stehen. So hebt sich ein knallblauer Kopf, der an eine Buddhafigur erinnert, vom goldenen Hintergrund ab. Dieser wird zusammen mit Mondsichel, Stern und Sonne zum goldenen Firmament – zum undurchdringlichen All oder zur göttlichen Sphäre.

Certas Einfärbung des Hintergrundes und die symmetrische Anordnung der Bildelemente bergen Parallelen zur traditionellen Gestaltung christlicher Ikonen – ohne jedoch eine ausschließlich christliche Ikonografie zu bemühen. Auch in anderen Werken vermengt Certa religiöse Motive unterschiedlicher Anschauungen. Seine Fokussierung auf einzelne Gesichter und Köpfe stehen dabei in der Tradition des Mandylions, des Christusantlitz byzantinischer Ikonen.

Dieser Rückgriff auf die Bildtheologie des Vera Icon – des wahren Bildes – ruft das Paradigma des nicht von Menschenhand geschaffenen Gottesabbildes auf. Certa nährt sich dieser Thematik mit einem ganz neuen Blick. Im Kreis um einen Strahlenkranz formiert sich ein an Buddha erinnernder Kopf neben maskenartigen Gesichtern. Bei aller Anmutung bleiben sie jedoch uneindeutig und fremd, unnahbar und übermenschlich – und dabei doch immer unglaublich präsent.

Um die Frage, ob es ein Abbild des Göttlichen geben kann und darf, wurde in den monotheistischen Religionen seit Jahrtausenden erbittert gestritten. Von den monotheistischen Bilderverboten über die Furcht vor Idolatrie, den byzantinischen Bilderstreit, bis hin zum zerstörerischen Ikonoklasmus der Bilderstürmer steht immer die Frage im Vordergrund, ob das Transzendente durch Menschenhand visualisiert, ein Bild des Unfassbaren gefasst werden kann.

Certa jedenfalls schafft ein Bild – schafft ganz unterschiedliche Bilder in Rückgriff auf die Ikonografie unterschiedlicher Religionen. Er nährt sich bekannten Abbildern göttlicher Wesen oder religiöser Führer an, deren Aufgriff und Verfremdung erneut die Frage nach einer möglichen Verbildlichung des Transzendentalen aufwerfen. Im Fokus von Certas Bildwelten stehen nicht selten die Augen eben jener Figuren. Der Blick – das Sehen oder Nichtsehen – ist in religiösen Erzählungen seit jeher von zentraler Bedeutung für das Erblicken des Göttlichen, für das Erkennen der Offenbarung.

In Certas Gemälden blicken die göttlichen oder spirituellen Wesen teils direkt zurück – verstörend und beschwörend. Damit befragt Certa im 21. Jahrhundert aufs Neue die Herausforderungen und Möglichkeiten, unter denen sich (Ab)bilder des Transzendentalen überhaupt fassen lassen. Was kann in der Malerei sichtbar gemacht, erblickt und betrachtet werden? Certas Figuren richten ihre oft in den Augenhöhlen verdrehten Pupillen direkt auf die Betrachter:innen, die so selbst beobachtet oder erkannt, ja „durchschaut“ werden. Und sich im umgekehrten Blick den Figuren selbst unfreiwillig offenbaren.


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Amadeus Certa (g. 1992 in Mannheim) hat das Studium der Malerei und Graphik 2016 als Meisterschüler von Siegfried Anzinger an der Kunstakademie Düsseldorf mit Auszeichnung abgeschlossen. Für seine Abschlusspräsentation erhielt er den Rundgangspreis der Akademie. Zuletzt wurde Amadeus Certa 2018 mit dem Heinrich-Vetter-Preis für Bildende Kunst gewürdigt. Certas Arbeiten waren bereits in zahlreichen Ausstellungen national und international zu sehen, darunter institutionelle Häuser wie das Schloss Ujazdowski Center for Contemporary Art in Warschau sowie im Port25 – Raum für Gegenwartskunst Mannheim.

Die Ausstellung ist bis zum 24. April 2021 in der Galerie sowie im Viewing Room zu sehen. Eine Ausstellungsbesichtigung vor Originalen ist derzeit nur nach Terminvereinbarung möglich.